ZfdA 131 (2002), S. 274f.

Mittelalter-Philologie im Internet

12. Beitrag: Das 'Marburger Repertorium der Freidank-Überlieferung'

von Joachim Heinzle und Stefanie Hein

Nach dem 'Handschriftencensus' und dem 'Marburger Repertorium deutschsprachiger Handschriften des 13. Jahrhunderts' (mr13) wird im Verbund der 'Marburger Repertorien'(1) jetzt auch das 'Marburger Repertorium der Freidank-Überlieferung' (mrfd) nach und nach ins Netz gestellt (Zugang über die Startseite der Repertorien: http://www.marburger-repertorien.de).
Das Repertorium, das seit 1999 von der DFG gefördert wird, gibt ein beschreibendes Verzeichnis der Freidank-Überlieferung von den Anfängen bis zur letzten bisher nachgewiesenen Druck-Ausgabe von 1583. Es erfaßt Handschriften, Drucke und Inschriften mit Reimpaarsprüchen, die - wo immer in der Überlieferung - unter dem Namen Freidanks laufen. Den Hauptbestand bilden die Corpus-Überlieferung der 'Bescheidenheit' mit der ihr zuzuordnenden Teil- , Streu- und Fragment-Überlieferung und der Komplex der Freidank zugewiesenen Sprüche in den sog. 'Autoritäten'-Sammlungen(2). Unberücksichtigt bleibt die Inserierung von Freidank-Sprüchen in den "Werkzusammenhang anderer Autoren"(3) wie Hugos von Trimberg oder des Teichners.
Die Beschreibung der Handschriften orientiert sich am mr13. Für die Drucke und die Inschriften werden entsprechende Formulare entwickelt. Eingehender als das mr13 informiert das Freidank-Repertorium über die Texte: wir geben jeweils eine Übersicht über den Bestand und die Anordnung der Sprüche (innerhalb der Rubrik 'Inhalt' oder separat in einer Assistenz-Datei, die per Link zu öffnen ist) und charakterisieren, soweit möglich und sinnvoll, den Eintrag nach Typus (Corpus, Exzerpt etc.) und Inhalt. Nach Maßgabe der technischen und urheberrechtlichen Möglichkeiten sind wir bemüht, den Beschreibungen Abbildungen beizugeben.

Das Freidank-Repertorium beschränkt sich nicht darauf, bekannte Sachverhalte zusammenzufassen. Es weist schon jetzt erheblich mehr Textzeugen aus als das bislang maßgebliche Verzeichnis von JÄGER ([Anm. 2] S. 277ff.). Und es schließt Textzeugen auf, die zwar in der Forschung registriert sind, aber nicht zureichend ausgewertet wurden. Ein Beispiel ist die Sammelhs. Ms. 47a der Hofbibl. Aschaffenburg, die GRIMM (Sigle l) und BEZZENBERGER (Nr. 37) bekannt war, in der jüngeren Freidank-Forschung jedoch als verschollen galt und entsprechend vernachlässigt wurde.(4) In diesem Codex befindet sich als viertes von ursprünglich sechs selbständigen Manuskripten eine lat.-dt. Schulhandschrift vom Ende des 14. Jh.s, die zwischen Frowins von Krakau 'Antigemeratus' und Hugos von Trimberg 'Laurea Sanctorum' Auszüge aus der 'Bescheidenheit' enthält. Das anonyme Exzerpt umfaßt 216 (nicht 190, wie Grimm und Bezzenberger angeben) dt. Verse, denen jeweils die lat. Fassung vorangestellt ist, sowie weitere lat. Verse, bei denen es sich z.T. ebenfalls um Freidank-Paraphrasen handelt. Eine ganze Reihe von dt. Versen fehlt bei Grimm und Bezzenberger. Um sie der Forschung bequem zugänglich zu machen, wurden der Fixierung des Freidank-Textbestands in der Assistenz-Datei Transkriptionen dieser Verse mit den vorangestellten lat. Versionen beigegeben. Farbabbildungen sämtlicher Seiten erlauben die Kontrolle der Transkriptionen und die Kenntnisnahme der nicht transkribierten Verse.

Wie das Beispiel zeigt, dient das Repertorium nicht nur der Freidank-Forschung. Es liefert Beiträge zur Erschließung weiterer Überlieferungsfelder wie hier der lat.-dt. Schulhandschriften.(5) Und es bietet insgesamt eine solide Grundlage für die exemplarische Erforschung zentraler Phänomene der frühen Schriftlichkeit (Medienwechsel, Verhältnis von Deutsch und Latein, Multifunktionalität von Texten in wechselnden Gebrauchszusammenhängen, Verhalten von Texttraditionen zur angeblichen Epochenschwelle 'Mittelalter / Neuzeit' etc.).

Prof. Dr. Joachim Heinzle / Stefanie Hein, Institut für Deutsche Philologie des Mittelalters im Fachbereich 09 der Philipps-Universität, Wilhelm-Röpke-Str. 6A, D-35032 Marburg
E-Mail: heinzle@mailer.uni-marburg.de / hein@mailer.uni-marburg.de

Anmerkungen:

  1. Vgl. J. HEINZLE und K. KLEIN, Die Marburger Repertorien zur Überlieferung der deutschen Literatur des Mittelalters, ZfdA 130 (2001) 245f.
  2. Vgl. B. JÄGER, "Durch reimen gute lere geben". Untersuchungen zu Überlieferung und Rezeption Freidanks im Spätmittelalter (GAG 238), Göppingen 1978, S. 247ff.
  3. JÄGER [Anm. 2], S. 13.
  4. Vgl. JÄGER [Anm. 2], S. 274.
  5. Vgl. N. HENKEL, Deutsche Übersetzungen lateinischer Schultexte. Ihre Verbreitung und Funktion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Verzeichnis der Texte (MTU 90), München 1988, ohne Erwähnung der Hs.
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