ZfdA 133 (2004), S. 430f.
Mittelalter-Philologie im Internet
20. Beitrag: IASLonline - eine Rezensionzeitschrift im Internet
von Bettina Wagner
Seit mehr als fünf Jahren findet sich unter der frei zugänglichen Internetadresse
http://www.iaslonline.de/ ein vielfältiges Angebot von derzeit über 660 Rezensionen zu literaturwissenschaftlichen sowie kultur- und medienwissenschaftlichen Neuerscheinungen. Hervorgegangen aus dem Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, hat sich IASLonline zum Ziel gesetzt, die Nachteile zu überwinden, die bei der Publikation von Buchbesprechungen in gedruckten Zeitschriften oft unvermeidlich sind: monate- oder gar jahrelanger Berichtsverzug, nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehender Raum und ein auf wenige Abonnenten und regelmäßige Bibliotheksbesucher eingeschränkter Leserkreis. Entscheidend für die Akzeptanz eines solchen Medienwechsels sind aber weniger die praktischen Vorteile der schnellen, weiten und kostengünstigen Verbreitung von Texten beliebiger Länge als die Qualität der Inhalte.
Dieses hohe qualitative Niveau stellt IASLonline durch ein Netzwerk von Fachreferenten sicher, die die zu besprechenden Bücher auswählen, kompetente Rezensenten gewinnen und die Rezensionen vor der Veröffentlichung begutachten. Derzeit betreuen über 60 Wissenschaftler Fachreferate von ganz unterschiedlichem Zuschnitt: neben Vertretern der etablierten Teildisziplinen (insbesondere der germanistischen Literaturwissenschaft und ihren Nachbargebieten) finden sich Experten für einzelne Autoren und Teilepochen ebenso wie Theoretiker der Fiktionalität, Subjektivität und Narrativität und Praktiker der Editions- und Bibliothekswissenschaft. Dies stellt sicher, daß die Rezensionen eine möglichst große Bandbreite methodischer Ansätze spiegeln, und kann durchaus auch dazu führen, daß das gleiche Buch unter verschiedenen Blickwinkeln von unterschiedlichen Rezensenten besprochen wird. IASLonline versteht sich - wie auf der eigenen Website angegegeben - "als Katalysator der wissenschaftlichen Diskussion, nicht als Vertreter einer Richtung oder Schule".
Auch die Rezensenten rekrutieren sich aus den unterschiedlichsten Institutionen und Altersgruppen; gerade jüngeren Fachvertretern soll ein Forum geboten werden, auf dem sie mit fundierten Beiträgen am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen können. Sachkundige Rezensenten allein garantieren jedoch noch nicht die Qualität einer Buchbesprechung. Um Bewertungen nachvollziehbar zu machen und Leser der unterschiedlichsten Fachrichtungen in die Lage zu versetzen, sich eine Meinung über das Buch zu bilden, sollen Rezensionen bei IASLonline zunächst detailliert über die Neuerscheinung informieren: Intention, Anlage und Ergebnisse des Werks darstellen und sie im Kontext der Forschungsdiskussion einer methodischen und sachlichen Kritik unterziehen. Um die Lesbarkeit ihrer ausführlichen Texte am Bildschirm zu erleichtern, sind die Rezensenten aufgefordert, sie durch Zwischenüberschriften zu strukturieren und mit einer thesenartigen Überschrift zu versehen.
Die Beschleunigung der Information über Neuerscheinungen verdankt sich einerseits der Bereitschaft der Fachreferenten und Rezensenten, Bücher möglichst schnell nach dem Erscheinen zu berücksichtigen und innerhalb der vergleichsweise kurzen Frist von vier Monaten zu besprechen. Das elektronische Medium ermöglicht es andererseits, Zeitverluste bei der Kommunikation und Publikation zu reduzieren. Sobald ein Titel für die Besprechung ausgewählt ist, wird er in einem Online-Redaktionssystem erfaßt, in dem auch Rezensenten- und Verlagsadressen verwaltet werden. Seinen fertigen Text liefert der Rezensent per Email ab, der Fachreferent begutachtet ihn und stellt ihn in die Datenbank ein, wo eine inhaltliche Schlußkontrolle durch das Herausgebergremium (derzeit Prof. Dr. Martin Huber, Hagen, sowie Prof. Dr. Georg Jäger und Dr. Nina Ort, München) und eine formale Überarbeitung durch die Redaktion erfolgen. Innerhalb von zwei Wochen nach Ablieferung der Rezension erfolgt die Veröffentlichung. Auf neue Besprechungen wird in einem Email-Alerting-Service sowie auf verschiedenen Mailinglisten hingewiesen; alle Rezensionen werden in dem Portal "Literaturwissenschaftliche Rezensionen (LiRez)" (
www.lirez.de) angezeigt und dort durch zusätzliche Suchmöglichkeiten erschlossen. Bereits teilweise realisiert ist eine Verknüpfung der Rezensionen mit Buchtiteln in elektronischen Bibliothekskatalogen, z.B. im Südwestverbund (
http://www.bsz-bw.de/SWBplus/).
Noch immer ist das elektronische Medium nicht universell als zum Print gleichwertige Publikationsform wissenschaftlicher Arbeiten anerkannt. Für eine solche Akzeptanz ist unerläßlich, daß einerseits hohe inhaltliche Qualitätsstandards angewandt werden, andererseits aber die Texte unveränderlich und dauerhaft verfügbar und damit zitierbar sind. Derzeit werden die Besprechungen beim Leibniz-Rechenzentrum in München gespeichert; eine Langzeitarchivierung ist vorgesehen. Eine Absatznumerierung und die Empfehlung zur Zitierweise am Ende jeder einzelnen Rezension erleichtert die Bezugnahme auf den Text - auch in Publikationslisten der Rezensenten. Zu hoffen bleibt, daß elektronische Publikationen auch bei der Bewertung der wissenschaftlichen Leistungen ihrer Verfasser in Zukunft eine gleichberechtigte Stellung zu gedruckten Arbeiten erringen werden.
Dr. Bettina Wagner, Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke, Bayerische Staatsbibliothek, Ludwigstr. 16, D-80539 München
E-Mail:
bettina.wagner@bsb-muenchen.de