ZfdA 133 (2004), S. 550f.

Mittelalter-Philologie im Internet

21. Beitrag: Die Forschungsdokumentation zu Handschriften und Seltenen Drucken der Bayerischen Staatsbibliothek

von Brigitte Gullath

Seit über hundert Jahren wird in der Bayerischen Staatsbibliothek eine Forschungsdokumentation zu den Beständen der Handschriftenabteilung geführt, zunächst in Form von Nachträgen in einem durchschossenen Exemplar des Handschriftenkatalogs, seit 1950 auf Katalogkarten und seit 2002 in einer Datenbank. Grundlage für diese Dokumentation sind eingesandte Belegexemplare und Sonderdrucke sowie die systematische Auswertung der Neuzugänge für die Handbibliothek des Handschriftenlesesaals und einer großen Zahl laufender Zeitschriften und Jahrbücher.

Bis zum Jahr 2002 bestand die Dokumentation aus einem Kartenkatalog, in dem unter der jeweiligen Signatur Literaturnachweise nicht nur zu Handschriften, sondern auch zu Nachlässen, Autographen, Inkunabeln und anderen seltenen Drucken verzeichnet wurden. Den weitaus größten Teil, über 90% der ca. 109'000 Katalogkarten, machen darin freilich die Nachweise zu Handschriften in allen Sprachen aus. Zeitlich ist die Dokumentation nicht beschränkt, teilweise reichen die Literaturangaben bis weit in das 19. Jh. zurück. Die Katalogkarten sind relativ heterogen, ein Großteil besteht aus maschinengeschriebenen Karten mit Katalogaufnahmen für die Handbibliothek, daneben finden sich aber auch handschriftliche Karten mit Aufsatz- oder Kurztiteln und anderen Angaben. Dieser sogenannte 'Literaturkatalog' wurde von den Besuchern der Münchener Handschriftenabteilung gerne benützt und oft gelobt, bot er doch mit der zumeist ebenfalls notierten Standortsignatur einen unmittelbaren Zugang zu den verzeichneten Werken.

Als daher im Jahr 2002 eine SISIS-Datenbank für die Weiterführung der Forschungsdokumentation eingerichtet wurde, war von vorneherein klar, daß der alte Katalog in die Datenbank integriert werden mußte. Nur so war es möglich, weiterhin die gesamte Forschungsdokumentation in einer einheitlichen Form anzubieten und die in den vergangenen Jahrzehnten investierte Arbeit vollständig in das Internetzeitalter zu überführen. Das Muster für die Katalogkonversion bildete die in der Bayerischen Staatsbibliothek in den Jahren 1995 bis 1997 durchgeführte Konversion des alphabetischen Katalogs 1953-1981, erleichtert wurde die Durchführung auch durch die gleichzeitig angelaufene Konversion des Quartkatalogs (1840-1952), von der Software-Entwicklungen übernommen werden konnten.

Die Konversion des Kartenkatalogs wurde von der DFG unterstützt, die neben den Sachkosten auch eine auf 18 Monate befristete halbe Stelle finanzierte. Die Katalogkarten wurden durch eine Thüringer Firma gescannt, die Erfassung ausgewählter Angaben erfolgte durch Schreibkräfte dieser Firma in Rumänien. Neben der Handschriftensignatur und dem sachlichen Aspekt, unter dem die Handschrift behandelt ist, wurden folgende Teile der Literaturnachweise erfaßt: Autor, Sachtitel, Erscheinungsjahr und Standortsignatur. Insgesamt über 113'000 Literaturnachweise - auf einigen Karten sind mehrere Titel enthalten - konnten so in die Datenbank integriert werden. Die Images der Katalogkarten mit den vollständigen Angaben sind bei der Recherche über die Einzeltrefferanzeige zugänglich.

Die Datenbank ist nach dem Muster des Kartenkatalogs konzipiert und verzeichnet wie dieser neben der Signatur der Handschrift bzw. des Drucks auch die Handschriftenstelle (z.B. Blattangabe), den sachlichen Aspekt, unter dem die Handschrift behandelt ist (z.B. Einband, Geschichte, Text) und die Stelle in dem nachgewiesenen Werk. Die Literaturangaben für Monographien werden aus dem lokalen elektronischen Katalogsystem der Bayerischen Staatsbibliothek übernommen, Aufsätze werden eigens erfaßt. Suchbar sind neben der Handschriftensignatur der sachliche Aspekt, außerdem Autor, Titelstichwörter, Erscheinungsjahr und Standortsignatur der Literaturnachweise, die Serie/Reihe (nur bei Neuaufnahmen) und die Herkunft des Nachweises.

Die Recherche wird sich häufig auf die Suche nach einer bestimmten Handschriftensignatur beschränken. Die Signaturen der Handschriften entsprechen denen in den gedruckten Katalogen, der Buchstabenteil wurde bei den deutschen Handschriften auf Cgm, bei den lateinischen auf Clm normiert. Verzeichnisse sämtlicher Signaturengruppen sind über den Erläuterungstext zur Datenbank zugänglich. Sucht man beispielsweise Literaturnachweise zur Handschrift des 'Heliand', gibt man einfach "Cgm 25" in das Suchfeld 'Hss-Signatur' ein und erhält so derzeit 76 Treffer, angefangen von DOCENs 1807 in seinen 'Miszellaneen' erschienener Veröffentlichung aus der Handschrift bis zu einem Aufsatz in der 'Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur' aus dem Jahr 2002.

Es ist aber auch möglich, die Suche durch einen sachlichen Aspekt oder einen bestimmten Erscheinungszeitraum (z.B. ">1980" für alle Titel seit 1980) einzugrenzen. Das Suchfeld 'Herkunft' erlaubt die Eingrenzung etwa auf die neu hinzugekommenen, nicht im Kartenkatalog enthaltenen Titel (Eingabe: "a" für Aufsätze bzw. "bvb" für Monographien). Selbstverständlich kann man auch nach Autoren oder Titeln der Literaturnachweise suchen. Da jedoch in dem konvertierten Kartenkatalog die Titel unter jeder behandelten Handschrift einzeln aufgeführt werden, führt eine solche Suche oft zu Mehrfachtreffern mit denselben Titeln.

Zu den deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek enthält die Datenbank insgesamt über 13'000 Nachweise. Für die mittelalterlichen Handschriften bietet sie so eine Aktualisierung zu dem bereits 1920 erschienenen Katalog von ERICH PETZET für Cgm 1-200 bzw. den seit 1970 erschienenen Katalogen von KARIN SCHNEIDER (bis Cgm 5247, ein Katalog der Fragmente Cgm 5249-5250 erscheint demnächst). Für die neuzeitlichen Handschriften ergänzt die Dokumentation den 1866 erschienenen Katalog "nach J. A. Schmellers kürzerem Verzeichnis" (bis Cgm 5154) und den im Jahr 2000 erschienenen Katalog von DIETER KUDORFER (Die neuzeitlichen Handschriften aus Cgm 5155-5500). Für alle folgenden Handschriften, zu denen nur handschriftliche Repertorien existieren, ist mit der Datenbank jetzt erstmals eine überregional zugängliche Informationsquelle verfügbar.

Die Forschungsdokumentation ist seit Juni 2004 über die Homepage der Bayerischen Staatsbibliothek auf der zweiten Ebene unter "Digitale Bibliothek" zugänglich:
http://www.bsb-muenchen.de/handruck/hsslit.htm.

Dr. Brigitte Gullath, Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke, Bayerische Staatsbibliothek, Ludwigstr. 16, D-80539 München
E-Mail: brigitte.gullath@bsb-muenchen.de
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