ZfdA 130 (2001), S. 247f.

Mittelalter-Philologie im Internet

2. Beitrag: Datenbank mittelalterlicher deutscher Autographen und Originale

von Volker Honemann

Die Datenbank verzeichnet lateinische und deutschsprachige Autographen und Originale (Handschriften des deutschen Mittelalters (9.-16. Jahrhundert), die unter Beteiligung des Autors entstanden, aber nicht oder nur in geringen Teilen - z.B. in Gestalt von Korrekturen - von ihm geschrieben wurden). Sie befindet sich noch im Aufbau und ist deshalb z. Zt. dreigeteilt:

Teil 1 verzeichnet Autographen und Originale, die in der 2. Auflage des Verfasserlexikons verzeichnet sind. Das Verfasserlexikon behandelt bekanntlich sowohl deutsche Autoren, die in deutscher Sprache schreiben, wie - in Auswahl - solche, die lateinisch, und solche, die mittelniederländisch schreiben; Zeitgrenze ist die Regierungszeit Kaiser Maximilians I. (1493-1519). Weitere Informationen wurden der Autographen-Datei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften entnommen; diese und weitere verdanke ich dem Leiter der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Herrn Dr. Eef Overgaauw. Eine Überprüfung der Informationen des Verfasserlexikons wie der Berliner Datenbank war in der Regel nicht möglich; mitunter konnten sie durch die Angaben moderner Handschriftenkataloge ergänzt werden.

Teil 2 der Datenbank basiert auf der Durchsicht einer großen Zahl von gedruckten Handschriftenkatalogen deutscher Bibliotheken in der Handschriftenabteilung der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. Dabei wurde stets von entsprechenden Registerstichwörtern ('Autograph') ausgegangen; eine systematische Durchsicht der Kataloge selbst war nicht möglich. Als ergiebig erwiesen sich, wie zu erwarten, vor allem die in den letzten Jahrzehnten im Rahmen des DFG-Katalogisierungsprogramms entstandenen Kataloge, die viele, in den literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken nicht verzeichnete Autoren bzw. Autographen und Originale nennen. Dieser Teil der Datenbank nennt auch eine Reihe von Autoren, die bereits in Teil 1 erscheinen; es sind deshalb bei der Suche nach Autographen oder Originalen eines mittelalterlichen Schriftstellers vorläufig jeweils beide Teile zu konsultieren. Eine Vereinigung der beiden Teile ist vorgesehen, doch schien es zunächst wichtig, die verschiedenen Quellen auseinanderzuhalten.
Die Abgrenzung zwischen der Verfasserschaft und der Abschrift eines Werkes war, wie zu erwarten, häufig schwierig, dies vor allem etwa bei Originalen von Werken, denen deren Verfasser autographische Korrekturen oder Glossen beigefügt hat. Hier wird im Zweifelsfall eher mehr als weniger Material geboten. Tritt ein Autor, dessen Autograph in der Datenbank verzeichnet ist, als (Ab-)Schreiber eines Werkes eines anderen Autors auf, so wird dies vermerkt. Die zahlreichen Dubia werden als solche gekennzeichnet. Die Datenbank wird so nur einen ersten und sehr vorläufigen, mitunter sicher auch unscharfen Eindruck von Art und Zahl der autographisch und im Original erhaltenen Texte des deutschen Mittelalters bieten.

Teil 3 der Datenbank enthält ein Literaturverzeichnis, das alle in den Teilen 1 und 2 abgekürzt zitierten Titel aufschlüsselt.(1)
Anlaß für die Erstellung der Datenbank ist die in der Germanistischen Mediävistik vorherrschende Ansicht, daß es Autographen deutscher Dichter des Mittelalters nicht gebe, eine - bereits von Karl Lachmann vertretene - Meinung(2), die von sehr großem Einfluß auf die Textkritik mittelalterlicher deutscher Texte gewesen ist: Das Fehlen des 'Anfangs' der Überlieferung mittelalterlicher deutscher Dichtungen machte eben jene 'Rekonstruktionsphilologie' nötig, die noch immer viele Editionen zentraler Texte des deutschen Mittelalters kennzeichnet. Auch wenn nun die Durchsicht des in der Datenbank verzeichneten Materials die Ansicht zu bestätigen scheint, daß Autographen mittelalterlicher deutscher D i c h t u n g die seltene Ausnahme darstellen, so ist die Erkenntnis, daß wir desungeachtet über eine sehr beträchtliche Zahl von Autographen mittelalterlicher deutscher Texte verfügen, doch von hoher Bedeutung. Allein die Durchsicht der Bände 1-9 des Verfasserlexikons führte zu einer Liste von nahezu 400 Autographen des 9.-15. Jahrhunderts. Ihre Untersuchung wird es ermöglichen, eine genauere Vorstellung vom Wesen des mittelalterlichen Autographs überhaupt (also z.B. auch dem eines mittelalterlichen Romans) zu gewinnen und so die Veränderungen, die ein Text im Laufe der Jahrhunderte erfuhr, richtig zu beurteilen.
Eine genauere Explikation dieser These sowie ein Überblick über Zahl und Art mittelalterlicher deutscher Autographen findet sich in: Volker Honemann, Autographische Überlieferung mittelalterlicher deutscher Literatur, in: Scrinium Berolinense. Tilo Brandis zum 65. Geburtstag (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 10), Berlin 2000, hier Bd. II, S. 821-828 (mit zahlreichen Literaturangaben zum mittelalterlichen Autograph).

Die Datenbank wird zugänglich sein unter der elektronischen Anschrift des Münsteraner Instituts für Frühmittelalterforschung:

http://www.uni-muenster.de/Fruehmittelalter/Projekte/Autographen/Abfrage.html

Anfragen zur autographischen Überlieferung einzelner Autoren und Texte können jedoch schon jetzt beantwortet werden. Anfragen, Hinweise auf weitere Autographen, Ergänzungen und Anregungen werden erbeten an:

Prof. Dr. Volker Honemann, Institut für Deutsche Philologie I, Johannisstr. 1-4, D-48143 Münster

E-Mail: honeman@uni-muenster.de

Anmerkungen:

  1. Für die Durchsicht des VL danke ich Ulrike Schwermann, für die jenige der Handschriftenkataloge und für die Erstellung der Bibliographie Tatjana Louis, für die elektronische Einrichtung Sven Peters und Herrn Dr. Franz Neiske vom Institut für Frühmittelalterforschung.
  2. Wolfram von Eschenbach. Sechste Ausgabe von Karl Lachmann, Berlin 1926, S. VI: Bei Werken, "von denen es niemahls autographa gegeben hat", könne die (erhaltene) Überlieferung unmöglich zur Rekonstruktion des Autortextes genügen, weshalb der Editor mitunter aus eigener "vermutung" das setzen müsse, was "der sinn oder der versbau oder des dichters art unwidersprechlich forderte".
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